Sternzeit - Zeitschrift astronomischer Vereinigungen > Archiv / Suche > Ausgabe 2/2020 > Aktuelle Seite

Titelstory
Space X Starlink – der Verlust des astronomischen Nachthimmels

Heinz Jürgen Beister

Abb. 1: Strichspuren, bald überall?

In den kommenden Jahren sollen große Satelliten-Konstellationen im Erdorbit aufgebaut werden, um das Internet der Dinge zu unterstützen. Es ist geplant, mehr als fünfzigtausend Kommunikationssatelliten in den Orbit zu bringen. Und das ist erst der Beginn einer beispiellosen Kommerzialisierung des Weltalls.

Als am 4. September 2000 das letzte der vier großen Andenteleskope „Yepun“ der Europäischen Südsternwarte ESO in Betrieb genommen wurde, hatte niemand damit gerechnet, dass 20 Jahre später eine Flut von Kommunikationssatelliten die Forschung so massiv zu beeinträchtigen droht, wie es sich jetzt andeutet. In Zukunft werden keine Langzeitbelichtungen des Sternhimmels mehr möglich sein, ohne sich die Strichspuren diverser Kommunikationssatelliten einzufangen. Insbesondere auch messtechnische Aufgaben wie die Untersuchung veränderlicher Sterne werden massiv gestört werden.

Starlink

Elon Musk ist für seine engagierten utopischen Projekte bekannt; seien es batteriebetriebene selbstfahrende Autos, der Hyperloop oder jetzt auch Space X Starlink. Geplant sind 10.000 Satelliten auf einem Orbit in 1150 km Höhe, 6.000 Satelliten in 550 km und 26.000 in 340 km Höhe. Die Kommunikation findet auf den Frequenzen des Ku-, Ka- und V-Bands statt. Noch im Verlauf diesen Jahres soll das Netz den Betrieb aufnahmen und zunächst in den USA Hochgeschwindigkeitsinternet mit bis zu 1 GB/s für jeden Nutzer bereitstellen. Starlink ist nicht das einzige Programm das große Satellitenkonstellationen ausbringen will. Weitere Projekte sind One Web (UK) mit mehr als 5.000 Satelliten und Amazon-Kuiper mit 3.236 Satelliten. Auch Facebook steht in den Startlöchern und die Canadier, die Russen und noch andere Anbieter.

Allein die 50.000 Starlinksatelliten führen zu einer mittleren Dichte von mehr als einem Objekt pro Quadratgrad am Himmel und werden terrestrische astronomische Forschungseinrichtungen entwerten [1]. Die zu erwartende Helligkeit der Objekte liegt zwischen 3 mag und 7 mag, was bedeutet, dass man die Objekte mit bloßem Auge sehen kann. Es gibt 171 Sterne der Größenklasse heller als 3 mag am Himmel zu sehen. Und etwa 4.800 natürliche Sterne bis zur 6. Größenklasse. Was da die Aussetzung von 50.000 neuen sichtbaren Objekten bedeutet, kann man sich leicht vorstellen.
Betroffen sind auch die Radioastronomen mit ihren Forschungsfrequenzen. Durch Interferenz und Überlappungen mit den Kommunikationssignalen werden Untersuchungen in den Frequenzbändern K und Q der Radioastronomen gestört. Für die Radioastronomen schließen sich damit wichtige Beobachtungsfenster.

Weltraumschrott

Raumfahrtwissenschaftler rechnen mit einer erheblichen Zunahme von Weltraumschrott durch derartige Satellitenflotten, insbesondere, wenn es zu Zusammenstößen kommt wie etwa der Zusammenstoß der Satelliten Iridium 33 und Kosmos 2251 am 10. Februar 2009 [2]. Die freigesetzten Trümmer haben sich inzwischen gleichmäßig in einer Kugelschale um die Erde verteilt.
Um größere Probleme zukünftig zu vermeiden, müssen ausgediente Satelliten sicher entsorgt werden. Wissenschaftler fordern hier eine Rückholwahrscheinlichkeit von 99%. Durch weitere Zusammenstöße könnte es sonst zum Kessler Effekt kommen, einer nicht vorhersagbaren Trümmermenge, die das Ende der Raumfahrt einleiten könnte.

Wie weicht man dem Weltraumschrott aus? Größere Objekte sind katalogisiert und man kann Ausweichmanöver planen. Problematisch sind kleine Objekte im Größenbereich weniger Zentimeter. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR arbeitet man an der Datenbank BACARDI (Backbone Catalogue of Relational Debris Information). Mit Hilfe von Supercomputern können für gefährdete Satelliten situationsbezogene Informationen über die Bahnen erkannter Raumfahrtrückstände ausgegeben werden. Zur Bestückung dieser Datenbank verwendet man unter anderem Teleskope ab 50 cm Öffnung, die den Himmel ständig untersuchen und die zentimetergroßen Teilchen als kleine Punkte erkennen. Vielleicht eine zukünftige Aufgabe der Amateurastronomen…

Proteste

Sowohl die optische wie auch die Radioastronomie sind von dem Verlauf der derzeitigen Aufrüstung betroffen. Inzwischen haben mehr als 1900 professionelle Astronomen, Techniker und Ingenieure einen Aufruf und eine Petition gegen das Satellitenproblem gezeichnet [3]. Insbesondere die US Behörde F.C.C., welche die ersten 12.500 Starlink Satelliten genehmigt hat, wird aufgefordert, die Genehmigung zurückzunehmen. Unbeeindruckt startet SpaceX inzwischen ein Paket mit 60 Satelliten nach dem anderen und schafft vollendete Tatsachen. Es werden auch rechtsfreie Räume genutzt, wie z.B. der Weltraum überhaupt und die Start-/ Lande-Vorrichtungen auf hoher See außerhalb der Staatsgrenzen.

Man kann sich fragen, ob die Astronomen, insbesondere auch die Sternfreunde in Deutschland, den Zeitpunkt der Einflussnahme verschlafen haben. So wäre eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag denkbar und die Einforderung von Schadensersatz für die entwerteten Forschungseinrichtungen und das Menschenrecht auf Erhaltung des Weltnaturerbes Sternhimmel.

Quellen

[1] S.Gallozi, M.Scardia, M.Maris: Concerns about ground based astronomical observations: A Step To Safeguard The Astronomical Sky, https://arxiv.org/abs/2001.10952
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Satellitenkollision_am_10._Februar_2009
[3] https://astronomersappeal.wordpress.com

 

Titelbild Ausgabe 2/2020

Dieser Text erschien in

Ausgabe 2 / 2020

Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.

Die Sternzeit-Ausgabe 2 / 2020 können Sie bei Klicken zum Anzeigen bestellen.