Sternzeit - Zeitschrift astronomischer Vereinigungen > Archiv / Suche > Ausgabe 3/2011 > Aktuelle Seite
Wilfried Lassak
Die Astronomie ist eine Wissenschaft, die sowohl auf ein bemerkenswertes Interese in der Öffentlichkeit stößt als auch in recht großem Umfang amateurmäßig betrieben wird. Dabei ist die Erforschung des Weltalls für viele Laien mit dem unabdingbaren Einsatz von riesigen Teleskopen und spektakulären Raummissionen assoziiert. In der Tat spielen technische Hilfsmittel als konstitutive Elemente der Entdeckung eine entscheidende Rolle. Vergessen wird dabei, dass die eigentliche Welterschließung mit dem staunenden Blick zum Himmel begann und viele Himmelsobjekte und -phänomene schon mit bloßem Auge oder mit bescheidenen optischen Hilfsmitteln beobachtet wurden. Der interessierte Amateur kann teilweise am Forschungsprozess aktiv teilnehmen, mehr noch, der Sternfreund kann mit seinen Mitteln Beobachtungsergebnisse gewinnen, die professionelle Astronomen zur Ergänzung ihrer Forschung heranziehen.
In Deutschland gibt es mehr als 50.000 Amateure. Die Arbeitsgemeinschaft in Quedlinburg hat mit ihren 15 aktiven Mitgliedern einen kleinen Anteil daran. Am 5. Oktober 1975, dem 18. Jahrestag des Starts von "Sputnik I" vom sowjetischen Kosmodrom Baikonur, wurde im "Kaiserhof" in Quedlinburg die "Arbeitsgemeinschaft Astronomie" beim Kulturbund gegründet. Vom fünfköpfigen Gründungsgremium ist Alois Hunstock zum Vorsitzenden gewählt worden und bis heute aktives Mitglied. Die kleine Gruppe traf sich regelmäßig und hatte mit ihrem festen Programm bald eine interessierte Schar von Zuhörern und Zusehern. Schon damals erfreuten sich die öffentlichen Beobachtungen großer Beliebtheit. Das erste Teleskop, das zum Einsatz kam, war ein Telementor. Dieses Schulfernrohr ist trotz seiner relativ simplen Konstruktion mit einem hochwertigen Astro-Objektiv ausgerüstet, das hervorragende Abbildungsgüte und Auflösung hat.
Nach dem Start des ersten Satelliten und dem Beginn der bemannten Weltraumfahrt wuchs das Bedürfnis, sich mit der Raumfahrt, der Raketentechnik und deren Geschichte zu beschäftigen. 1980 wurde daher vom Vorstand die Namenserweiterung auf "Arbeitsgemeinschaft Astronomie und Raumfahrt" beschlossen. Die Weltraumflüge hatten atemberaubende, bisher unvorstellbare Fortschritte gemacht.
So wie die Altersstruktur der Gruppe von jung bis alt ist, sind auch die Interessen und die Betätigungen der Mitglieder differenziert. Da wird nicht nur beobachtet, sondern es werden auch Fotos und Dias von Mond, Planeten, Sonne und Messier-Objekten gemacht. Die Dokumentation bildet einen wichtigen Pfeiler in der Tätigkeit der AG. Ihr Können an feinmechanischer Konstruktion und optischer Präzision haben zwei Mitglieder unter Beweis gestellt und bauten sich einen "Dobson". Die Spiegel wurden in wochenlanger Handarbeit geschliffen und poliert und haben einen Durchmesser von 42 bzw. 45 cm. Mit ihrem anspruchsvollen Jahresprogramm hat die Arbeitsgemeinschaft in Quedlinburg einen festen Platz im Kultur- und Freizeitbereich eingenommen. Die Themen der öffentlichen Monatsveranstaltungen reichen von Vorträgen der Mitglieder zur Raumfahrt, imposanten Forschungsergebnissen der modernen Astronomie, neuen Erkenntnissen von Objekten des Sonnensystems und über Schwarzen Löcher bis hin zum Erscheinen von Kometen, dem Auftreten von Meteorströmen, der Geschichte der Astronomie und Randgebieten wie z. B. prähistorische Steinsetzungen. Aber auch Fragen, die einst in den Bereichen Mythologie, Astrologie und Religion angesiedelt waren, versuchen wir im Rahmen der astronomischen Forschung einzubinden. Einmal im Jahr laden wir einen "Berufsastronomen" zu einer öffentlichen Veranstaltung ein, die auch für die Schüler und Schülerinnen der Sekundarschulen und des Gymnasiums organisiert wird.
Zu den eindrucksvollsten und nachhaltigsten Naturereignissen, die beobachtet werden können, gehören zweifellos die totalen Sonnenfinsternisse. Da diese Naturphänomene uns immer wieder in ihren Bann ziehen, begeben sich Mitglieder der AG häufig auf Reisen. Dabei scheuen sie keine Entfernungen und fahren nach Ungarn und Spanien oder fliegen nach Süd- und Mittelamerika, nach Finnland, in die Türkei und, wie im vergangenen Jahr, nach China.
Himmelsbeobachtungen sind durch kein noch so perfektes Medium ersetzbar und deshalb für den Astronomen unverzichtbar. Wir bieten regelmäßig öffentliche Beobachtungen an, damit jeder Interessierte die Gelegenheit haben kann, selbst einen Blick durch ein Teleskop zu werfen. Unter dem Motto: "Das Weltall - du lebst darin, entdecke es", versuchen wir auf die imposantesten Himmelsschauspiele aufmerksam zu machen. Einmal im Jahr, zur Zeit des Neumondes im August, fahren Mitglieder in das Gebiet der Ötztaler Alpen, um einen Sternhimmel zu erleben, der einfach faszinierend ist. In unseren Breiten führt nämlich die zunehmende Lichtverschmutzung mehr und mehr dazu, dass nur noch die hellsten Sterne ohne optische Hilfsmittel zu sehen sind.
Fruchtbringend für uns ist der Erfahrungs- und Informationsaustausch mit anderen organisierten Sternfreunden sowie wissenschaftlichen Einrichtungen und Institutionen. Deshalb haben wir die großen Sternwarten bzw. Observatorien in Berlin, Potsdam, Tautenburg, Jena, Sonneberg, Heidelberg und auf den griechischen Inseln Kreta und Santorin, sowie das Observatorium in der Haute-Provence, wo 1995 der erste extrasolare Planet entdeckt wurde, besucht.
Ein nahes Ziel der Arbeitsgemeinschaft ist der Bau einer Volks- und Schulsternwarte am Stadtrand von Quedlinburg. Die Kuppel und die Teleskope dafür sind vorhanden. Inzwischen konnten wir ein Grundstück pachten, auf dem sich ein ausbaufähiges Gebäude befindet. In den nächsten Wochen werden wir mit den ersten Arbeiten beginnen.
Wir sind unter khv-quedlinburg.de/astronomie im Internet zu erreichen.
Inzwischen hat sich aus der Arbeitsgemeinschaft die Sternwarte Quedlinburg e.V. gegründet.
Die Website ist unter www.sternwarte-quedlinburg.de zu finden.
Dieser Text erschien in
Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.
Die Sternzeit-Ausgabe 3 / 2011 können Sie bei Klicken zum Anzeigen bestellen.