Sternzeit - Zeitschrift astronomischer Vereinigungen > Archiv / Suche > Ausgabe 4/2020 > Aktuelle Seite

Astro-Praxis
Bestimmung der Entfernung des Sterns Wolf 359

Thomas Hebbeker

Abb.1: Foto des südlichen Berei- ches des Sternbilds Löwe, mit Stern Wolf 359 rechts unten (hellster Stern im Bild), invertierte Darstellung: Sterne sind dunkel, Himmel ist hell. Aufnahme am Abend des 22.04.2020 von Kelmis aus (Sternwarten-Code K85). Oben ist Norden, links ist Osten, der Bildausschnitt ist 600“ x 400“ groß. Eingezeichnet ist auch in Grün die Position des Sterns auf dem von New Horizons fast gleichzeitig aufgenommenen Bild, etwa 15“ rechts davon. Ferner sieht man links oben, in Rot, die von Max Wolf 1918 gemessene Position des Sterns Wolf 359.

Im März 2020 erfuhr ich vom „Parallax Project“ der Raumsonde „New Horizons“: Die scheinbare Position eines recht nahen Sternes mit der Bezeichnung Wolf 359, sollte am 23. April gleichzeitig von Amateur-Astronomen auf der Erde und der dann etwa 46 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernten Sonde bestimmt werden.

Die aus von aufgenommenen der Erde und New Fotos Horizons zeigen den Stern Wolf 359 dann relativ zu den Hintergrundsternen an einer um ungefähr 15 Bogensekunden verschobenen Position. Durch quantitative Auswertung kann man aus dieser Verschiebung den Abstand des Sternes von der Erde berechnen. Da das Wetter im Frühling 2020 besonders gut war, wollte ich mitmachen, also Wolf 359 von meiner Terrasse aus fotografieren und vermessen.

Abstandsmessungen sind in der Astronomie ebenso wichtig wie schwierig. Bei Entfernungen bis zu einigen Lichtjahren kann man die Parallaxenmethode anwenden. Dabei wird ausgenutzt, dass sich ein naher Stern beim Wechsel der Beobachterposition relativ zu den weit entfernten Hintergrundsternen verschiebt, so wie der Daumen am ausgestreckten Arm bei seitlicher Bewegung des Kopfes. Die irdischen Astronomen zur Verfügung stehende größte Basislänge für solche Beobachtungen ist der zweifache Abstand Erde-Sonne (Astronomische Einheit AE). Im einfachsten Fall macht man zum Beispiel ein Foto im Frühjahr, und ein zweites ein halbes Jahr später, im Herbst, und vergleicht dann. Da aber die AE viel kleiner ist als die Entfernung selbst unserer Nachbarsterne (das sind einige Lichtjahre), ist der Parallaxeneffekt ebenfalls sehr klein und beträgt maximal eine Bogensekunde. Die erste erfolgreiche Messung gelang Friedrich Bessel im 19. Jahrhundert am Stern 61 Cygni. Seine genauen Beobachtungen ergaben eine Parallaxe von 0.3“ für eine Basislänge von 1 AE, das entspricht einer Entfernung von 11 Lichtjahren. Mit der Sonde New Horizons, die bereits die Pluto-Bahn hinter sich gelassen hat, kann man zum ersten Mal quasi gleichzeitig und bei einer relativ großen Basislänge von 46 AE eine Parallaxenmessung durchführen. Zwar wird die Genauigkeit der Präzisionsmessungen der Gaia-Astrometrie-Sonde nicht erreicht werden können, aber man kann den Effekt mit New Horizons sehr schön demonstrieren. Es wird ein Ergebnis für zukünftige Astronomie-Lehrbücher werden.

Der Stern Wolf 359 ist recht nah, und eignet sich für eine Parallaxenmessung. Er liegt im Sternbild Löwe, nahe der Ekliptik, und hat eine scheinbare Helligkeit von 13.5 mag. Die Verbindungslinie Stern - Sonne ist, ganz grob gesagt, etwa senkrecht zur Line Erde – New Horizons. Das ist Voraussetzung für einen deutlichen Parallaxeneffekt. Die relativ geringe Entfernung des Sterns erkannte schon sein Entdecker, der Heidelberger Astronom Max Wolf, anhand der deutlichen kontinuierlichen Eigenbewegung. In seiner Veröffentlichung von 1919, dem „Katalog von 1053 stärker bewegten Fixsternen“, ist an Stelle 359 dieser Stern aufgeführt. Inzwischen wissen wir, dass es sich um einen astrophysikalisch sehr interessanten Stern handelt. Er ist ein roter Zwerg, der eine sehr kleine Masse und eine geringe absolute Leuchtkraft besitzt. Er ist gerade groß genug, um Kernfusion in seinem Inneren zu ermöglichen. Zum Vergleich: unsere Sonne leuchtet 100.000 mal heller. Es handelt sich um einen eruptiven Stern, man hat viele unregelmäßige Helligkeitsausbrüche beobachtet. Inzwischen wurden auch Exoplaneten entdeckt, die um Wolf 359 kreisen. Science-Fiction Fans kennen diesen Stern auch sehr gut aus der Star-Trek-Serie, sowie aus Büchern und Computerspielen.

 

Titelbild Ausgabe 4/2020

Dieser Text ist eine Leseprobe. Den vollständigen Text finden Sie in

Ausgabe 4 / 2020

Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.

Die Sternzeit-Ausgabe 4 / 2020 können Sie bei Klicken zum Anzeigen bestellen.