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Kalendermathematik
Die Berechnung des Osterdatums (Teil 2)

Joachim Gripp

Abb. 1. Papst Gregor XIII. Portrait von Lavinia Fontana (1552-1614). (https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=77449113)

„Ostersonntag ist der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling“. Diese Regel ist aber nur scheinbar einfach. Damit die richtige Berechnung von Osterdaten über einen längeren Zeitraum hinweg möglich wird, ist zunächst ein entsprechend exakter Kalender erforderlich.

Im ersten Teil dieses Artikels wurde die Osterrechnung auf der Basis des julianischen Kalenders beschrieben. Doch im Laufe der Jahrhunderte wich dieser immer stärker von der Realität ab. Der astronomische Frühlingsanfang, im julianischen Kalender auf den 21. März gelegt, wanderte mit den Jahrhunderten weiter in Richtung Winter nach vorne. Im 16. Jahrhundert fand er unübersehbar bereits am 11. März statt. Weiterhin entfernte sich der kalendarische Termin für das Passahfest (14. Nisan oder Luna XIV Paschalis, siehe Teil 1), auch Grundlage für die Osterrechnung, zunehmend vom Frühlings-Vollmonddatum. Eine Kalenderreform war also dringend erforderlich. Papst Gregor XIII (Abb. 1) setzte eine Reformkommission ein, die Vorschläge für eine Verbesserung des Kalenders erarbeitete. Durch ein hochrangiges päpstliches Dokument, die Bulle Inter gravissimas vom 24. Februar 1582, setzte Gregor diese Reform dann in Kraft.

Die Probleme des julianischen Kalenders

Im julianischen Kalender ist jedes 4. Jahr ein Schaltjahr mit 366 Tagen, die drei anderen Gemeinjahre haben 365 Tage. Damit enthält ein julianisches Jahr im Mittel 365,25 Tage. Dieses ist gegenüber dem Sonnenjahr ein wenig zu lang (aktueller Wert: 365,2422 Tage). In 128 Jahren ergibt sich daraus ein Tag zu viel im Kalender. 19 julianische Kalenderjahre sind zudem etwas länger als 235 synodische Monate (Metonischer Zyklus). Daher verschiebt sich etwa alle 308 Jahre das Datum einer Mondphase (z.B. Vollmond) um einen Tag in Richtung Winter nach vorne.

Die Arbeit der Reformkommission

Der italienische Gelehrte Aloisius Lilius (Luigi Lilio) gilt als der geistige Urheber des gregorianischen Kalenders und machte bereits 1575 einen Vorschlag für die Reform. Er starb kurz darauf. Sein Bruder Antonio legte das Werk der päpstlichen Kommission vor, die dieses dann nahezu unverändert übernahm. Es enthält die folgenden Korrekturen, die dann vom Papst angeordnet wurden:

1.) Das Jahr 1582 wurde um die seit dem Konzil von Nicäa (Jahr 325) aufgelaufenen 10 Tage gekürzt: auf Donnerstag, 4. Oktober 1582, folgte unmittelbar, Freitag, 15. Oktober 1582. Die Reihenfolge der Wochentage blieb also erhalten. Damit wurde die Abweichung des kalendarischen vom astronomischen Frühlingsanfang schlagartig beseitigt, dieser fiel im Folgejahr 1583 wieder auf den 21. März.

2.) Damit das auch in den folgenden Jahrhunderten so bleibt, werden in einem Zyklus von jeweils 400 Jahren jeweils drei Schalttage gestrichen. So waren die Jahre 1700, 1800 und 1900 keine Schaltjahre. Diese ohne Rest durch 100 teilbaren Jahre werden Säkularjahre genannt. Sie werden im gregorianischen Kalender zu Gemeinjahren. Nur die ohne Rest durch 400 teilbaren Jahre sind weiterhin Schaltjahre. Daher gab es im Jahr 2000 einen 29. Februar, im Jahr 2100 wird es keinen geben. Diese Korrektur wird als Sonnengleichung bezeichnet, wobei Gleichung hier als Angleichung (aequatio solaris) zu verstehen ist. Das gregorianische Jahr hat dadurch eine durchschnittliche Länge von 365,2425 Tagen, dieses ist eine ausreichend gute Näherung an das tropische Sonnenjahr, welches ja für die Jahreszeiten maßgeblich ist. Eine Abweichung von einem Tag gibt es nun nur noch alle rund 3300 Jahre.

3.) Das Monddatum wurde zunächst um die aufgelaufenen 3 Tage vorverlegt, für ein Jahr mit der goldenen Zahl GZ = 1 (siehe Teil 1) vom 5. April auf den 2. April. Durch die 10 gestrichenen Tage der Reform wurde daraus dann der 12. April.

Jeder der fehlenden Schalttage der Sonnengleichung bewirkt eine Verschiebung der kalendarischen Vollmondtermine um jeweils einen Tag nach hinten (in Richtung Sommer). Dieses ist auf lange Sicht gesehen zu viel, um die Übereinstimmung mit den astronomischen Daten erhalten zu können. Daher werden innerhalb von 2500 Jahren die kalendarischen Mond-Daten achtmal um jeweils einen Tag nach vorne (in Richtung Winter) korrigiert (Mondgleichung, aequatio lunaris), dieses ergibt einen Durchschnitt von 312,5 Jahren. Die erste (und bisher einzige) Korrektur erfolgte im Jahr 1800. Weitere wird es in den Jahren 2100, 2400, 2700, 3000, 3300, 3600, 3900 und 4300 geben.

Der auf diese Weise korrigierte mittlere kalendarische Wert für den synodischen Monat (29,5305869 Tage) stimmt nun so außerordentlich genau mit dem astronomischen Wert (29,5305889 Tage) überein, daß eine Berechnung der Mondphasen mit dem gregorianischen Kalender über Jahrtausende hinweg möglich ist [1,2]!

Literatur

[1] H. Lichtenberg, Math. Semesterber. 50, S. 45 – 76 (2003)
[2] H. Lichtenberg, sternzeit 2/2023, S.85 – 87

 

Titelbild Ausgabe 4/2023

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