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Prof. Dr. J. Plassmann, Michael Dütting
Abb.1: Westansicht der Westfälischen Wilhelms-Universität mit dem Sternwartenturm, Zeichnung von 1915
Anmerkung der Redaktion: wir haben den nachstehenden Text in der Rechtschreibung und Ausdrucksweise von 1912 belassen. Zur Person von Prof. Plassmann verweisen wir auf den Artikel von Michael Dütting auf den Seiten 172 bis 174 dieser Ausgabe.
Das neue Kollegiengebäude der Westfälischen Wilhelms-Universität, dessen Grundstein am 15. November 1911 gelegt worden ist, geht seiner Vollendung entgegen, und es wird damit der vielverschlungenen Kette stattlicher Bauwerke inmitten der Altstadt, die der wissenschaftlichen, künstlerischen und religiösen Erhebung geweiht sind, ein neues bedeutungsvolles Glied angereiht.
Nothwendig wurde der Neubau durch die ungemein rasche Entwicklung der Hochschule, durch die stetig zunehmende Anzahl der Hörer und den Ausbau der wissenschaftlichen Institute. Aber es bot sich hierbei Gelegenheit, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden, dem Bau eine Krone aufzusetzen, die sich auch zwischen dem vornehmen Getürm der alten Mimigardia mit Ehren sehen läßt, eine Krone, die kein eitler Zierat, als Arbeitsstätte der Wissenschaft in den Äther emporragen wird. Die Hochschule, die in der Geschichte der Himmelskunde mit gleicher Achtung genannt wird wie in der so manches anderen Forschungszweiges als eine Stätte, wo mit kargen Mitteln Treffliches geleistet wurde, erhält ein größeres Fernrohr und eine Drehkuppel. Die Kuppel mit dem sie tragenden Turme bildet die Achse des neuen zweiflügeligen Kollegienhauses.
Ein hochgesinnter Mäcen gab den Anstoß zu dieser glücklichen Lösung einer architektonischen Frage. Professor Dr. Viktor Knorre in Groß-Lichterfelde hat für den Bau der Beobachtungsfernrohre, die man Äquatoriale nennt, neue und fördernde Gesichtspunkte angegeben und zur Erprobung seiner Ideen selbst im Verein mit dem Berliner Mechaniker Heele ein Fernrohr konstruiert, das er im Jahre 1910 der münsterischen Universität unter der Bedingung zum Geschenke anbot, daß für eine zweckmäßige Aufstellung gesorgt werde. Bis zur endgültigen Abmachung verfloß längere Zeit, da der Kuppelbau neben der Verschönerung eine große Verteuerung mitbrachte und die Frage so durch verschiedene Instanzen laufen mußte. Im Frühjahr 1911 konnte Herrn Knorre die endgültige Annahme seines Geschenkes mitgeteilt werden. Das Fernrohr selbst, das eine Zeitlang auf dem bekannten Observatorium zu Treptow aufgestellt war, harrt jetzt in der Heeleschen Werkstatt der Überbringung nach Münster. Um die Eigentümlichkeit des Instruments zu erklären müssen wir etwas weiter ausholen. […] Man braucht nun das Rohr nur mehr mit gleichmäßiger Geschwindigkeit, bei der 24 Stunden Sternzeit auf einen vollen Umlauf kommen, um die Stundenachse zu drehen, und der Stern wird im Gesichtsfelde gehalten. Diese Drehung wird bei den kleineren Äquatorialen, z. B. dem nützlichen und wohlfeilen Schulfernrohr von Merz in München, mit der Hand vollzogen. Größere Instrumente haben ein Uhrwerk. Auch dem Knorreschen Rohre, dessen Objektivglas einen Durchmesser von 10½ Zentimeter hat, fehlt dieses Uhrwerk nicht. […] Unser Rohr mit seinem Stativ steht auf einer starken Grundplatte, die mit einem im Gebäude vorgesehenen Pfeiler verbunden wird. Dieser Pfeiler steht auf einem Fußboden aus Eisenbeton, welcher von Rippen aus dem selben Stoff getragen wird. Ein zweiter Fußboden ist etwas höher als der erste; er umgibt den Pfeiler bis auf eine sehr schmale Rinne und auf ihm bewegen sich die Besucher der Kuppel, durch deren Bewegungen also das Fernrohr nicht erschüttert wird.
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