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Wettbewerb "Projekt Traumsonde" (über 25 Jahre)
Atom TeleScoop

Daniel Hinkel, Bernd Rohwedder

Die Geometrie der für das Röntgenobservatorium XMM-Newton gebauten Wolter-Teleskope wäre auch für das Fokussieren von Heliumatomen mit kinetischen Energien der Größenordnung 1-10 eV geeignet. Von den 58 in so einem Gerät verschachtelten Schalen werden in unserer Zeichnung vier beliebige zur Visualisierung der Strahlenführung dargestellt. Die Brennweite beträgt 7,5 m, die Öffnung der größten Schale 70 cm, die der kleinsten 30 cm. Da wir die abbildenden Eigenschaften der Wolter-Optik für den von uns beabsichtigten 1-Pixel Detektorbetrieb nicht benötigen, muss der hier dargestellte Aufbau, standardmäßig bestehend aus einem ersten Satz parabolisch und einem zweiten Satz hyperbolisch gekrümmter Spiegel, nicht unbedingt die effizienteste „Trichter“- Konfiguration darstellen. Sinnvoll wäre darüber hinaus die Nutzung des zentralen Bereichs der Eingangsöffnung zur Unterbringung eines für höhere Bewegungsenergien geeigneten Detektors. In unserer Skizze erscheint repräsentativ der zylindersymmetrisch geformte IBEX-Lo Detektor, der mit seinen 30 cm Durchmesser (hier im richtigen Maßstab dargestellt) gut hineinpassen würde.

Vorschlag eines interplanetaren „Atom-Trichters“

Wenn vom Sonnensystem die Rede ist, denkt man an erster Stelle an unser Zentralgestirn und seinen acht zurzeit bekannten Planeten, ihren Monden und Ringsystemen, ferner auch an Zwergplaneten, Asteroiden und Kometen. Zahlreiche Raumsonden zeigen uns immer wieder neue, beeindruckende Bilder dieser Himmelskörper. Weit unscheinbarer und wohl auch deshalb weniger bekannt sind die Staubpartikel, die den interplanetaren Raum bevölkern und die für das durch die allgegenwärtige Lichtverschmutzung nicht mehr leicht zu erkennende Zodiakallicht verantwortlich sind.

Die Objekte, die mit der hier vorzuschlagenden Mission beobachtet werden sollen, sind sogar noch deutlich kleiner als dieser Staub. Unser Ziel sind jene (ungeladenen) Atome, die aus dem interstellarem Raum kommend in die Heliosphäre [1] eindringen und dabei vor allem durch den Einfluss der Sonne von ihrer Bahn abgelenkt werden und etwa 98% bis 99% des interplanetaren Gases ausmachen [2]. Es sei vorab klar gesagt: die von uns vorgeschlagene Mission wird keine beeindruckenden Bilder für die Öffentlichkeit liefern, wohl aber wesentliche wissenschaftliche Informationen zu den physikalischen Eigenschaften des interplanetaren Raumes und unserer unmittelbaren kosmischen Umgebung. Dazu planen wir insbesondere die Richtungsabhängigkeit („Anisotropie“) dieser Atome und das Wasserstoff-zu-Deuterium Verhältnis mit einer bislang nicht erreichten Genauigkeit zu vermessen.

Die interstellare Umgebung des Sonnensystems ist komplex strukturiert und kann näherungsweise als Überlagerung mehrerer etwa kugelsymmetrischer Materieflüsse beschrieben werden, wie sie z.B. durch Sternwinde in der Früh- oder Spätphase der Sternentwicklung und von Supernovaexplosionen hervorgerufen werden [3,4]. Diese Komplexität legt nahe, dass die in das Sonnensystem eindringenden Atome des interstellaren Mediums eine Richtungsabhängigkeit aufweisen könnten, deren Nachweis Rückschlüsse auf ihre Ursprünge zu ziehen erlauben würde. Die bislang feststellbare Richtungsabhängigkeit der einfallenden Atome beschränkt sich auf den durch die Relativbewegung des Sonnensystems durch das lokale interstellare Medium (LIM) verursachten „Gegenwind“-Anteil. Das LIM wird im Rahmen gegenwärtiger Modelle nur durch eine einheitliche Temperatur und den mittleren Dichten ihrer Komponenten charakterisiert. Die genauesten Ergebnisse hierzu hat in den vergangenen Jahren die Interstellar Boundary Explorer (IBEX) Mission geliefert [5].

Die Schwierigkeit, aus einem Erdorbit heraus Präziseres über diesen Bestandteil des Sonnensystems zu erfahren, liegt darin begründet, dass er von der Sonne durch eine ganze Reihe von Effekten mehr oder minder stark beeinflusst wird [6]. Ein Teil des interstellaren Windes wird durch Sonnenstrahlung ionisiert („pickup- Ionen“) und unterliegt daraufhin den durch das interplanetare Magnetfeld verursachten Lorentzkräften. Dies geschieht bereits an der Grenze zur Heliosphäre, in weit größerem Maße aber innerhalb eines Abstandes von der Sonne, der etwa dem Radius der Saturnbahn entspricht. Bis zu einem Abstand von einigen astronomischen Einheiten (AE) von der Sonne liegen z.B. fast alle Wasserstoffatome ionisiert vor [2]. Auch die Streuung von Sonnenlicht passender Frequenz bewirkt aufgrund des erfahrenen Rückstoßes eine Änderung atomarer Bewegungsrichtungen. Die Beobachtung dieses Streulichts („EUV-backscattering“) kann daher zum Nachweis der Anwesenheit der jeweiligen neutralen Atomsorten dienen [7]. Auch der Sonnenwind lenkt eintreffende Teilchen ab, wobei durch so genannte Ladungstransfer-Reaktionen neutrale Atome entstehen können, deren Nachweis eine wichtige Beobachtungsmethode darstellt [8]. Da die für die genannten Wechselwirkungen verantwortlichen Strahlungskomponenten der Sonne selbst richtungsabhängig und zeitlich zudem variabel sind, wird die Interpretation der Messdaten kompliziert und die Bereinigung modellabhängig. Die genannten Effekte spielen vor allem für Wasserstoff (H) eine große Rolle. Das zweithäufigste Element, Helium (He), ist im Vergleich dazu relativ unempfindlich gegenüber diesen physikalischen Prozessen und kann daher als geeigneterer Repräsentant („tracer“) für die ursprüngliche Bewegungsrichtung der ins Sonnensystem eindringenden Atome dienen. Allerdings unterliegt He genauso wie alle anderen Atomsorten der Gravitationswirkung der Sonne, die eine Fokussierung im Leebereich des interstellaren Windes hinter der Sonne bewirkt, die bereits mit Hilfe verschiedener Techniken nachgewiesen wurde [7,9]. Neutrale Atome stellen somit, genauso wie elektromagnetische Wellen, Neutrinos, Gravitationswellen und der kosmischen Strahlung hoher Energie, ein Fenster zum Weltraum dar, wenn auch ein stark verzerrendes und zeitlich variierendes. Unser Projektvorschlag soll dieses Fenster ein weiteres Stück öffnen. Dazu soll die von uns vorgeschlagene Sonde den inneren Bereich des Sonnensystems verlassen, um möglichst ungestört den gesamten Himmel hinsichtlich atomarer Teilchenflüsse in verschiedenen Energiebereichen zu kartieren, im Falle des Heliums niedrigerer Energie mit einer Winkelauflösung von etwa 0,5º. Außerdem soll sie die aktuell zur Entzerrung von Messdaten verwendeten physikalischen Modellparameter des interplanetaren Raums direkt (vor Ort) messen und ihre Zeitabhängigkeit im Laufe eines kompletten Sonnenzyklus verfolgen.

Um dieses Ziel zu erreichen, schlagen wir vor, die derzeitig im Weltraum verwendeten Techniken mit Hilfe atom-optischer Methoden zu erweitern. Bislang wird die Richtungsabhängigkeit einfallender Atome durch Ausschluss (Absorption) „im falschen Winkel“ einfallender Teilchen festgestellt, so etwa bei IBEX mit einem einfachen Blendensystem [10]. Ein solches System ist robust, erschwert allerdings eine Vergrößerung der effektiven Sammelfläche. Eine solche erscheint allerdings erstrebenswert, um höhere Zählraten und somit auch eine bessere Statistik zu erzielen, insbesondere in Energiebereichen und bei Teilchensorten , bei denen ein experimenteller Nachweis nur mit geringer Effizienz möglich ist.

Gerade der ideale „tracer“ Helium ist von dieser Problematik besonders betroffen. Die in IBEX für Wasser- und Sauerstoff gut funktionierende negative Ionisierungstechnik ist nicht für He geeignet. Stattdessen wird, wie bereits bei der Raumsonde Ulysses [11], die kinetische Energie von He-Atomen zum Herausschlagen von Ionen aus der Oberfläche geeigneter Materialien benutzt. Eine im Labor üblichere Nachweismethode beruht auf der Stoßionisation durch Elektronen [12]. Unterhalb einer Energie von 10 eV sind allerdings alle zurzeit bekannten bzw. realisierbaren Nachweismethoden für He mit einer geringen Effizienz behaftet [13]. An der Steigerung der Detektor-Effizienz wird zurzeit im Rahmen einer europäischen Forschungsinitiative intensiv geforscht, da sie für die Entwicklung einer neutrale He-Strahlen verwendenden Mikroskopiertechnik von zentraler Wichtigkeit ist [14].

Um trotz einer vergleichsweise geringen Nachweiseffizienz genügend He Atome „sehen“ zu können, muss der Heliumfluss im Detektorbereich durch Vergrößern der Sammelfläche entsprechend gesteigert werden. Es wird eine Art „Trichter“ für He benötigt. Die Herstellung eines solchen erscheint derzeit machbar. Bereits 1997 wurde nachgewiesen, dass eine entlang einer passenden Kristallebene präparierte Silizium-Oberfläche He- Atome z.T. wie ein Spiegel reflektiert. (Helium ist gerade wegen seines stark ausgeprägten Edelgas-Charakters für eine solche Manipulationsmethode gut geeignet.) Die aktuell besten He-Spiegel bestehen aus einem mit einer einlagigen Schicht Graphen bedeckten Substrat [16]. Diese Technik ermöglicht insbesondere die Herstellung gekrümmter Spiegel. Sie ist außerdem langzeitstabil. Zudem erhält man selbst nach tagelangem Kontakt mit Luft die ideale Spiegelqualität durch kurzes Aufheizen auf 100°C wieder zurück.

Bislang wurde die He-Reflektivität geeigneter Materialien allerdings nur bei den für das Mikroskopieren relevanten Energien unterhalb von 0,1 eV (entsprechend Geschwindigkeiten etwas oberhalb von 1 km/s) untersucht. Dabei wurden selbst bei Einfallswinkeln der Größenordnung ~50° etwa 23% der He-Atome gemäß dem Reflexionsgesetz gespiegelt, der Rest erfolgte diffus. Wir sind im astronomischen Kontext aber eher am Energiebereich 1...10eV (entsprechend Geschwindigkeiten 7...22 km/s) interessiert, der von IBEX (≥ 10 eV) aus in [10] erläuterten Gründen nicht abgedeckt wird. Eine bis zu etwa zwanzigmal größere Geschwindigkeit (als bislang atom-optisch untersucht) entspricht einer um den gleichen Faktor kleineren Materiewellenlänge. Beugungseffekte außer Acht lassend, kann man erwarten, dass unter streifenden Einfall der He-Atome (Winkel maximal etwa 3° bei 10eV) die Oberfläche immer noch eine vergleichbar gute Reflektivität aufweist. (Eine in [17] beschriebene Spiegelungsmethode kommt für unsere Zwecke leider nicht infrage, da die zu ihrer Anwendung erforderlichen Winkel deutlich zu klein wären.)

Vor bereits über einem halben Jahrhundert hat Hans Wolter eine Reihe von Möglichkeiten vorgeschlagen, wie man allein mit Hilfe der streifenden Reflexion abbildende Optiken herstellen kann [18]. Seine Ideen galten ursprünglich der Manipulation von Röntgenlicht. Das erste und sehr erfolgreiche Röntgenobservatorium im Erdorbit war Uhuru [19]. Genau wie IBEX verwendete es eine Vielzahl paralleler Bohrungen (in jenem Falle in Blei), um eine Kollimation der einfallenden Strahlung zu bewirken [20]. Es war, wie IBEX, ein „1-Pixel“ Observatorium und kein Teleskop im eigentlichen Sinne. Eine abbildende Röntgenoptik („Wolter-Teleskop“) wurde dann ab 1977 zum Standard.

Wir schlagen zur Vergrößerung der Sammelfläche für einfallendes Helium im Energiebereich 1-10 eV eine der möglichen Wolter-Geometrien vor. Sie soll allerdings nicht abbildenden Zwecken dienen sondern bloß eine Art „Trichterfunktion“ übernehmen, um die He-Atome in den („1-Pixel“) Detektorbereich zu konzentrieren. Da Wolter-Teleskope zwei Reflexionen zum Zwecke der Abbildung benötigen wäre es für unsere einfacheren Zwecke eventuell auch denkbar, mit einer einzigen Reflexion auszukommen. Dies verursacht gemäß [17] zwangsläufig einen „Koma“ genannten Abbildungsfehler, der aber im 1-Pixel Betrieb u.U. weniger gravierend wäre als die durch die doppelte Reflexion potenzierten Verluste. Durch beidseitige Verspiegelung der (mehreren) konzentrischen Schalen könnte zudem erreicht werden, dass auch ein Teil der diffus reflektierten Atome gewissermaßen durch „atomare Leitplanken“ zum Detektor geführt werden. Die optimale Lösung kann nur durch Simulation bestimmt werden, unter Berücksichtigung der experimentell bestimmten Reflexionseigenschaften des betrachteten Spiegelmaterials und möglicher Alternativen zur Spiegel- und Detektorgeometrie. Die Abbildung im Anhang zeigt einen möglichen Aufbau, der sich eng an die in der XMM-Newton Mission realisierten Zwiebelstruktur mit 58 Schalen anlehnt und mit dem eine Sammelfläche von etwa 1500 cm² erreicht wird [21]. Der äußere Durchmesser beträgt 70 cm, wobei eine weitere Vergrößerung in dieser Konfiguration kaum lohnenswert erscheint [21]. Die Spiegel von XMM-Newton sind sogar für noch kleinere streifende Winkel (< 1°) konzipiert, als die von uns zuvor geschätzt notwendigen 3° für 10 eV He-Atome. Da unsere Sonde neben dem Trichter für niederenergetische He-Atome auch eine Kopie des erfolgreichen IBEX-Lo (10-2000 eV) Detektors [10] dabei haben soll, ergäbe dies unter Umständen eine für Mess- und Vergleichszwecke nützliche Überlappung der Energiebereiche. (Der Durchmesser der innersten Schale von XMM-Newton stimmt zufällig mit dem äußeren Durchmesser von IBEX-Lo überein, was sogar einen konzentrischen Aufbau nahelegt.) Wegen der schlechten Reflektivität von atomaren Wasserstoff und der relativen Seltenheit anderer Atomsorten besteht beim Wolter- Trichter keine Notwendigkeit eines zusätzlichen, die Effizienz herabsetzenden Massenspektrometers. Interessant wäre allerdings die Option, durch Flugzeitmessung die Energie der festgestellten He-Atome zu bestimmen.

Während IBEX aus dem Erdorbit heraus beobachtet, soll unsere als Nachfolgemission gedachte Sonde in äußere Bereiche des Sonnensystems vordringen. Direkte Messungen neutraler H und He Atome hat in einer Entfernung von 5,4 AE die Sonde Ulysses vorgenommen. Deren Daten spielen eine wichtige Rolle bei der Interpretation der IBEX-Beobachtungen [22]. Erst ab einer Entfernung von etwa 9,5 bis 10 AE jedoch (was ungefähr dem Radius der Saturnbahn entspricht) nimmt die Wahrscheinlichkeit für Streuvorgänge an (extrem) ultravioletten Sonnenlicht und für Ladungstransfer-Reaktionen soweit ab, dass praktisch störungsfreie Messungen vorgenommen werden können [10]. Neben der He-Beobachtungen betrifft das insbesondere die Analyse von energetischen H und O durch die mitgeführte Kopie des IBEX-Lo Detektors. Besonders spannend erscheint die Möglichkeit (anders als im Erdorbit, wo wegen des Strahlungsdrucks eine Dekonvolution der erfassten Daten nicht durchführbar ist) auch das Wasserstoff/Deuterium-Verhältnis quantitativ zu erfassen. Dies wäre im Kontext der Materie-Entwicklung im Universum von großem Interesse.

Zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze sind hier denkbar. Entweder man plant eine Mission, die (wie Pioneer 10/11, Voyager 1/2, New Horizons) das Sonnensystem verlässt oder eine (wie Ulysses), die eine gebundene Bahn um die Sonne beschreibt. Da die von uns angepeilten wissenschaftlichen Ziele bereits aus einem geschlossenen Orbit heraus erreichbar erscheinen, konzentrieren wir uns hier auf diese konservativere Alternative. Auf einer Kreisbahn mit 10AE Radius beträgt die Geschwindigkeit der Sonde etwa 9,5 km/s. Bei Beobachtungen in Anströmrichtung des LIM reicht dieser Wert nicht mehr aus, um durch Verwendung der je nach Bahnposition veränderlichen Relativgeschwindigkeit den interessierenden Energiebereich mit einem nur ab 10 eV empfindlichen Detektor komplett abzudecken. Hinzu kommt, dass die Atome in diesem Abstand von der Sonne auch weniger durch ihre Gravitation beschleunigt worden sind. Das Mitführen eines Detektors für den unteren Energiebereich (1-10 eV) erscheint daher empfehlenswert [23]. Da wir keine besonderen Anforderungen an die zeitliche Auflösung stellen, sind deutlich effizientere (Elektron-)Stoßionisations-Detektoren technisch realisierbar [24]. Für diese Ionisationsmethode ist allerdings ein hoher (aber unvermeidbarer) energetischer Preis zu zahlen, da für die Erzeugung der Elektronen mindestens einige 100 W veranschlagt werden müssen. Der Cassini-Huygens Mission (CH) im ähnlichen Abstand zur Sonne standen mit Hilfe ihrer drei Pu-238-Batterien auch nach 11 Jahren Betriebszeit noch über 600 W Leistung zur Verfügung und der Einsatz von Stirling-Motoren zur vierfach effizienteren Energieumwandlung der Zerfallswärme ist bereits einsatzreif [25,26]. Mit an Bord sollen zur Beobachtung des LIM auch Magnetometer, Ionen-Massenspektrometer und Staubzähler sein, die in der Regel verhältnismäßig wenig elektrische Leistung erfordern, robust und bewährt sind. Interessant wäre auch die Weiterentwicklung des effizienten und He-spezifischen Ulysses „GAS“ Detektors hin zu einem abbildenden System. [13]. Zur Orientierung der Sonde dient, wie üblich, ein redundantes Sternsensorsystem plus gespeicherter Sternkarte zum Abgleich und zur kontrollierten Rotation der Sonde Reaktionsräder in (ebenfalls redundanter) Tetraederanordnung.

Die erforderliche Datenübertragungsrate ist gering und würde größenordnungsmäßig der von IBEX entsprechen. (Zur Orientierung: IBEX-Lo detektiert im Mittel pro Tag weniger als 100 Atome.) Denkbar ist eine zeitweise Zwischenspeicherung der Messdaten zur paketweisen Übertragung in kommunikationstechnisch günstigen Augenblicken. Angesichts einer Entfernung zur Erde von nie weniger als 9 AE ist wie bei CH eine Hochgewinnantenne erforderlich. Als Notlösung sollte aber auch ein Paar Niedriggewinnantennen vorhanden sein. Die Gesamtmasse der Sonde schätzen wir auf etwa 1t (ein XMM-Newton-artiges Wolter Teleskop wiegt 425 kg [21], IBEX-Lo ca. 12 kg [10], drei Pu-238-Stromquellen des Typs GPHS-RTG insgesamt ca. 160 kg [25]; zur Abschätzung der restlichen Masse betrachten wir Ulysses mit einer Gesamtmasse von 367 kg einschließlich 34 kg Hydrazin). Da CH mit einer Gesamtmasse von über 2,5t in eine Saturnbahn gebracht wurde [mit einer mittlerweile obsoleten Titan IV(401)B], dürfte dies mit einer Atlas V und „nur“ 1t Nutzlast prinzipiell ebenfalls möglich sein. Für den Atlas V Träger stellt die geschätzte Sondenlänge von ca. 8 m kein Problem dar Als Bahnachse wäre die für He (und von H scheinbar leicht abweichende!) Bewegungsrichtung des Sonnensystems durch dass LIM denkbar, die durch die ekliptikalen Koordinaten (l, b)=(254,7º±0,4º, 5,2º±0.2º) definiert ist [6]. Damit ergäben sich entlang dieser Richtung zeitlich homogene Beobachtungsbedingungen und senkrecht dazu, entlang der Bahnebene, ließe sich die sich ändernde Relativgeschwindigkeit bzgl. des LIM zum „scannen“ der Teilchenenergien verwenden. Dies legt nahe, die Sonde langsam um ihre durch den Wolter-Trichter definierte Ache rotieren zu lassen und die abbildende Weiterentwicklung des Ulysses-GAS He-Detektors im rechten Winkel dazu anzubringen. Ein Umlauf um die Sonne auf der vorgeschlagenen Bahn dauert etwa 32 Jahre. Angesichts der Tatsache, dass Voyager 1 und 2 nach 40 Jahren immer noch (und wohl noch für weitere 10 Jahre) eingeschränkt aktiv sind, ist es nicht absurd anzunehmen, dass auch die von uns vorgeschlagene Mission einen kompletten Sonnenzyklus überdauern könnte, auch wenn der Betrieb des Wolter-Trichter-Detektors aufgrund seines hohen Energiekonsums zu einem früheren Zeitpunkt eingestellt werden muss [27,28].

Danksagungen

Wir wollen uns an dieser Stelle herzlichst bei den Wissenschaftlern bedanken, die uns durch persönliche Mitteilungen und Zusendung von Material bei der Gestaltung dieses Projektvorschlags unterstützt haben. Unser Dank richtet sich an J. P. Toennies, D. J. McComas, D. Farías, P. Wurz und H. Tananbaum. Über die besonders detailreichen Ausführungen Harvey Tananbaums haben wir uns besonders gefreut, liegt doch das Projekt (Uhuru), zu dem wir ihn konsultierten, fast ein halbes Jahrhundert zurück!

Abbildung

Die Geometrie der für das Röntgenobservatorium XMM-Newton gebauten Wolter-Teleskope wäre auch für das Fokussieren von Heliumatomen mit kinetischen Energien der Größenordnung 1-10 eV geeignet. Von den 58 in so einem Gerät verschachtelten Schalen werden in unserer Zeichnung vier beliebige zur Visualisierung der Strahlenführung dargestellt. Die Brennweite beträgt 7,5 m, die Öffnung der größten Schale 70 cm, die der kleinsten 30 cm. Da wir die abbildenden Eigenschaften der Wolter-Optik für den von uns beabsichtigten 1-Pixel Detektorbetrieb nicht benötigen, muss der hier dargestellte Aufbau, standardmäßig bestehend aus einem ersten Satz parabolisch und einem zweiten Satz hyperbolisch gekrümmter Spiegel, nicht unbedingt die effizienteste „Trichter“- Konfiguration darstellen. Sinnvoll wäre darüber hinaus die Nutzung des zentralen Bereichs der Eingangsöffnung zur Unterbringung eines für höhere Bewegungsenergien geeigneten Detektors. In unserer Skizze erscheint repräsentativ der zylindersymmetrisch geformte IBEX-Lo Detektor, der mit seinen 30 cm Durchmesser (hier im richtigen Maßstab dargestellt) gut hineinpassen würde.

Quellennachweise

[1] Die Heliosphäre – Schutzschild für die Erde, K. Scherer, H. Fichtner, H.-J. Fahr, E. Marsch, Phys. Bl. 57(4), 55 (2001).
[2] The galactic environment of the sun, P. T. Frisch, Am. Scientist 88, 52 (2000).
[3] Cloud structure in the Galactic plane: a cosmic bubble bath?, P. W. J. L. Brand, W. J. Zealey, Astron. Astrophys. 38, 363 (1975).
[4] 3D mapping of the dense interstellar gas around the local bubble, R. Lallement, B. Y. Welsh, J. L. Vergely, F. Crifo, D. Sfeir, Astron. Astrophys. 411, 447 (2003).
[5] Direct Observations of Interstellar H, He,and O by the Interstellar Boundary Explorer, E. Möbius, P. Bochsler, M. Bzowski, G. B. Crew, H. O. Funsten, S. A. Fuselier, A. Ghielmetti, D. Heirtzler, V. V. Izmodenov, M. Kubiak, H. Kucharek, M. A. Lee, T. Leonard, D. J. McComas, L. Petersen, L. Saul, J. A. Scheer, N. Schwadron, M. Witte, P. Wurz, Science 326, 969 (2009).
[6] Deflection of the Interstellar Neutral Hydrogen Flow Across the Heliospheric Interface, R. Lallement, E. Quémerais, J. L. Bertaux, S. Ferron, D. Koutroumpa, R. Pellinen, Science 307, 1447 (2005).
[7] Solar cycle study of interplanetary Lyman-a variations: Pioneer Venus orbiter sky background results, J. M. Ajello, A. I. Stewart, G. E. Thomas, A. Graps, Astrophys. J. 317, 964 (1987).
[8] Energetic neutral atom imaging of space plasmas, M. Gruntman, Rev. Sci. Instrum. 68, 3617 (1997).
[9] Observations of the helium focusing cone with pickup ions , G. Gloeckler, E. Möbius, J. Geiss, M. Bzowski, S. Chalov, H. Fahr, D. R. McMullin, H. Noda, M. Oka, D. Ruciński, R. Skoug, T. Terasawa, R. von Steiger, A. Yamazaki, and T. Zurbuchen, Astron. Astrophys. 426, 845 (2004).
[10] The IBEX-Lo Sensor, S. A. Fuselier, P. Bochsler, D. Chornay, G. Clark, G. B. Crew, G. Dunn, S. Ellis, T. Friedmann, H. O. Funsten, A. G. Ghielmetti, J. Googins, M. S. Granoff, J. W. Hamilton, J. Hanley, D. Heirtzler, E. Hertzberg, D. Isaac, B. King, U. Knauss, H. Kucharek, F. Kudirka, S. Livi, J. Lobell, S. Longworth, K. Mashburn, D. J. McComas, E. Möbius, A. S. Moore, T. E. Moore, R. J. Nemanich, J. Nolin, M. O’Neal, D. Piazza, L. Peterson, S. E. Pope, P. Rosmarynowski, L. A. Saul. J. R. Scherrer, J. A. Scheer, C. Schlemm, N. A. Schwadron, C. Tillier, S. Turco, J. Tyler, M. Vosbury, M. Wieser, P. Wurz, S. Zaffke, Space Sci. Rev. 146, 117 (2009).
[11] Coordinated observation of local interstellar helium in the Heliosphere: Kinetic parameters of interstellar neutral helium, Review of results obtained during one solar cycle with the Ulysses/GASinstrument, M. Witte, Astron. Astrophys. 426, 835 (2004).
[12] Design and performance of a highly efficient mass spectrometer for molecular beams, M. DeKieviet, D. Dubbers, M. Klein, U. Pieles, C. Schmidt, Rev. Sci. Instrum. 71, 2015 (2000).
[13] Detection of energetic neutral atoms, P. Wurz, aus„The Outer Heliosphere: Beyond the Planets“ (K. Scherer, H. Fichtner, E. Marsch, Eds., Copernicus Gesellschaft e.V., Katlenburg-Lindau, Germany, 2000, Seiten 251-288).
[14] Scanning Neutral Helium Microscopy: A novel tool for fast, nondestuctive characterisation of mechanical parameters for nanostructured coatings ; http://cordis.europa.eu/project/rcn/106541_en.html
[15] An atom-focusing mirror, B. Holst, W. Allison, Nature 390, 244 (1997).
[16] A high-reflectivity, ambient-stable graphene mirror for neutral atomic and molecular beams, P. Sutter, M. Minniti, P. Albrecht, D. Farías, R. Miranda, E. Sutter, Appl. Phys. Lett. 99, 211907 (2011).
[17] Focusing a helium atom beam using a quantum-reflection mirror, H. C. Schewe, B. S. Zhao, G. Meijer, W. Schöllkopf, New J. Phys. 11, 113030 (2009).
[18] Spiegelsysteme streifenden Einfalls als abbildende Optiken für Röntgenstrahlen, H. Wolter, Annalen der Physik (6. Folge) Band 10, 94 (1952).
[19] An X-Ray Scan of the Galactic Plane from Uhuru, R. Giacconi, E. Kelloff, P. Gorentein, H. Gursky, H. Tananbaum, Astrophys. J. 165, L27 (1971).
[20] The Uhuru X-Ray Instrument, N. Jagoda, G. Austin, S. Mickiewicz und R. Goddard, IEEE Transactions on Nuclear Science 19, 579 (1972).
[21] XMM-Newton observatory: I. The spacecraft and operations, F. Jansen, D. Lumb, B. Altieri, J. Clavel, M. Ehle, C. Erd, C. Gabriel, M. Guainazzi, P. Gondoin, R. Much, R. Munoz, M. Santos, N. Schartel, D. Texier, G. Vacanti, Astron. Astrophys. 365, L1 (2001).
[22] Interstellar flow and temperature determination with IBEX: robustness and sensitivity to systematic effects, E. Möbius, M. Bzowski, P. C. Frisch, S. A. Fuselier, D. Heirtzler, M. A. Kubiak, H. Kucharek, M. A. Lee, T. Leonard, D. J. McComas, N. A. Schwadron, J. M. Sokół, P. Swaczyna, P. Wurz, Astrophys. J. Suppl. Ser. 220, 24 (2015).
[23] Eine untere Energiegrenze von 1 eV ist sinnvoll, da man ansonsten u.U. auch eine Beimischung von Teilchen beobachten würde, die durch thermodynamische Prozesse in Planeten entstehen [13].
[24] A high sensitivity neutral atom detector based on electron impact ionisation for He atom microscopy, D. J. Ward, B. Davey, A. P. Jardine, J. Ellis, W. Allison, Cavendish Laboratory, http://www-sp.phy.cam.ac.uk/~djw77/AVMG/poster_ward.pdf
[25] Mission of Daring: The General-Purpose Heat Source Radioisotope Thermoelectric Generator, G. L. Bennett, J. J. Lombardo, R. J. Hemler, G. Silverman, C. W. Whitmore, W. R. Amos, E. W. Johnson, A. Schock, R. W. Zocher, T. K. Keenan, J. C. Hagan, R. W. Englehart, 4th International Energy Conversion Engineering Conference and Exhibit (IECEC), 26-29 June 2006, San Diego, California.
[26] Development of Advanced Stirling Radioisotope Generator for Space Exploration, J. Chan, J. G. Wood, J. G. Schreiber, NASA/TM—2007-214806, Space Technology and Applications International Forum (STAIF), Institute for Space and Nuclear Power Studies at the University of New Mexico, Albuquerque, New Mexico, February 11-15, 2007.
[27] Wollte man die Sonde nicht im geschlossenen Orbit betreiben sondern möglichst schnell aus dem Sonnensystem hinausbefördern, könnte man auch an futuristische Alternativen zum vorgeschlagenen Konzept denken, z.B. an einen Start mit dem SLS (Space Launch System), einen (bereits für die Sonde Interstellar Probe für 2007 vorgeschlagenen, jetzt am CubeSat „NEA Scout“ im Juli 2018 zu demonstrierenden) Sonnensegel-Antrieb oder an einen Vorbeiflug am bis dahin vielleicht entdeckten neunten Planeten [28]. Die technische Realisierbarkeit unseres Vorschlags ist allerdings völlig unabhängig von solchen Entwicklungen.
[28] Evidence for a distant giant planet in the solar system, K. Batygin, M. E. Brown, Astronom. J. 151, 22 (2016).